Musik Manuel Barrueco spielte überragend im Konzert zweier Festivals – Staatsorchester zeigte sich als mitfühlender Partner
M Koblenz. Seine Aufnahme von Joaquin Rodrigos „Concierto de
Aranjuez“ (mit Placido Domingo als Dirigent) vor 16 Jahren gilt als
Referenzinterpretation. Allerdings überließ der kubanische Gitarrist
Manuel Barrueco, weltweit einer der renommiertesten seines Genres, beim
Guitar-Festival-Konzert in der voll besetzten Rhein-Mosel-Halle Rodrigos
omnipräsenten Klassikhit seinem jüngeren Kollegen, dem 1979 in Belgrad
geborenen Goran Krivokapic. Das Konzert stellte am Wochenende zugleich
den Auftakt zum Mittelrhein Musik Festival dar.
Für sich selbst hatte Barrueco, der ohnehin sehr engagiert in Sachen
zeitgenössischer Musik und mit vielen Komponisten kooperiert, die
„Medea“ Manolo Sanlúcars ausgesucht. In den 80er-Jahren als
Flamenco-Ballettmusik für das spanische Nationalballett komponiert,
überarbeitete sie Sanlúcar 2002 als sinfonisches Werk für Gitarre und
Orchester und führte sie unter dem Dirigat von Leo Brouwer in dieser
Fassung erstmals selbst auf.
Für den Solisten ist dies eine ebenso anspruchs- wie reizvolle Aufgabe,
gleicht doch seine Gitarre in diesem Werk, das mehr ist als nur eine Art
Flamencoversion des antiken griechischen Mythos, Medea. Sie ist die
Liebende, die Verführerische, Leidenschaftliche, Verratene, Leidende.
Wer könnte diese existenziellen Facetten menschlichen Denkens und
Fühlens besser nachvollziehen als Barrueco, als ein Gitarrist, für den
das Instrument nicht mehr und nicht weniger ist als die natürlichste
Möglichkeit, sich auszudrücken?
Die Rheinische Philharmonie, geleitet von dem in Berlin lebenden
Amerikaner Garrett Keast, ist ihm dabei ein mitfühlender Partner. Keast
stimmt das Orchester so fein und einfühlsam auf die Gitarre ab, dass die
sich vollkommen auf sich konzentrieren kann. Das gilt auch für Rodrigos
„Aranjuez“, ohnehin eher dialogisch angelegt, als immer wieder
erneuertes Zwiegespräch zwischen kleineren Gruppen des Orchesters,
besonders den Holzbläsern, mit der Gitarre. Goran Krivokapic, zu dessen
zahlreichen Preisen auch der Gewinn des Hubert Käppel-Wettbewerbs beim
Koblenzer Gitarrenfestival zählt, legt mit dynamisch fein dosiertem,,
nuanciertem Spiel die Basis dafür, dass dieser Dialog durch alle drei
Sätze spannend bleibt. Er zieht sich durch das vom temperamentvollen
Fandango über den an die Saeta angelehnten, im klagenden Grundton auch
persönlichen Schmerz Rodrigos reflektierenden langsamen Satz (mit dem
Englischhorn als direktem Gesprächspartner) bis zum finalen, temporeich
Takt und Rhythmus wechselnden Tanzsatz.
Die Leichtigkeit, die Luftigkeit, die das Orchester hier spielerisch
mitträgt, hat es zuvor in Franz Schuberts jugendlicher Sinfonie Nr. 5
B-Dur, D 485 gewissermaßen „trainiert“. Ob dieser immanenten
Leichtigkeit wird das Werk stets mit Haydn und Mozart in Beziehung
gebracht und ist doch in seiner klassische Formgrenzen souverän
variierenden Melodik, in seinem Singen nicht nur im zweiten, im
langsamen Satz reinster Schubert. Ist Heiterkeit, unter der Tragik
lauert. Das ist bei Schubert nicht anders als bei Rodrigo oder Sanlúcar.
Von unserer Mitarbeiterin
Lieselotte Sauer-Kaulbach