Donnerstag, 11. Juli 2013

Lisa Smirnova belegt in Spay beeindruckend pianistische Virtuosität

Feines Gespür für die perfekte Inszenierung
Lisa Smirnova belegt in Spay beeindruckend pianistische Virtuosität

Spay. Ihr pianistisches Credo teilt sie mit ihrem großen Vorbild Friedrich Gulda – ein Credo, das ebenso einfach klingt, wie es schwierig umzusetzen ist: „Spiele jeden Ton so, als ob es um dein Leben ginge.“ Lisa Smirnova, in Moskau geboren, in Wien lebend, weicht auch bei ihrem Mittelrhein-Musik-Festival-Konzert in der Alten Kirche in Spay nicht davon ab. Sie lässt keinen Zweifel an ihrem immer strebenden Bemühen.
Dass Smirnova ehrgeizig und zielstrebig ist, zeigt ein kleiner Blick in die Vita: Mit 19 Jahren kehrte sie ihrer Heimat den Rücken und empfing im Westen die ersten entscheidenden Impulse durch Karl-Heinz Kämmerling in Salzburg, mit 20 debütierte sie in der Carnegie Hall und ist seitdem in fast allen großen Konzertsälen spielte. Für die Alte Kirche in Spay setzte sie zwei Händel-Suiten für Klavier. Vor zwei Jahren spielte sie alle für die ECM New Series ein.
Zwei von acht Werken also, über die der Händel-Biograf John Mainwaring schrieb, nur die wenigsten Interpreten könnten ihnen gerecht werden. Lisa Smirnova gehört sicherlich dazu. Sie ist eine Pianistin, die gleich in der fünften Suite, der in E-Dur HWV 430, deutlich macht, dass sie sich durch keine noch so reiche Figuration aus der Bahn werfen oder von ihrer klaren Linie abbringen lässt. Diese Linie lässt wirklich jedem Ton Gerechtigkeit widerfahren, auch in den schnellsten Zweiunddreißigstel-Läufen, in den Sechzehntel-Triolen des Air und seiner fünf Variationen. Gleichzeitig macht Smirnova keinen Hehl daraus, dass sie besonders die pianistische Anforderungen nochmals bündelnden Schlusssätze der Händel'schen Suiten liebt, etwa die der im wogenden Arpeggien-Rauschen förmlich badenden Passacaille der siebten Suite in g-Moll HWV 432. Da ist eine Frau am Werk, die stets Herrin der Situation bleibt, allen noch so hohen Hindernissen zum Trotz, die alles perfekt inszeniert, vom behutsamen Beginn bis zum fulminanten Finale.
Das demonstriert Lisa Smirnova erst recht in Beethovens Sonate cis-Moll op 27 Nr. 2, von Ludwig Rellstab wenig glücklich als „Mondscheinsonate“ etikettiert. Das einleitende Adagio wird auch in der Basslinie tatsächlich – der Satzanweisung entsprechend – „delicatissimamente“ gespielt, das knappe Scherzo als pure Poesie, bevor Schmerz und Leidenschaft im Presto agitato mit aller Wucht losbrechen.
Das Programmatische, der Beethoven'schen Sonate eher vergewaltigend aufgestülpt, trieb Maurice Ravel zu seinen „Miroirs“. Diese fünf Tongemälde sollen und wollen bilderreich genau das darstellen, von dem im Titel die Rede ist, sie sollen eben wie Spiegel wirken. Das gelingt beispielsweise nach dem sanft flatternden Flug der „Noctuelles“, der Nachtfalter, oder in dem von einem kleinen Amselmotiv ausgehenden, harmonisch höchst anspruchsvollen Gesang der „Oiseaux tristes“. Oder der Zuhörer fühlt sich an das Schwanken eines Schiffes auf den Meereswogen erinnert, in denen selbst der einzelne, in Arpeggien herabrieselnde Wassertropfen spürbar bleibt. Diesem Fließen kontrastiert in der spanisch eingefärbten „Alborada del gracioso“, dem „Morgenständchen des Narren“, ein aberwitziges, vertracktes Hüpfen und Springen. Das ist für Lisa Smirnova ein gefundenes Fressen, um ihre pianistische Virtuosität zu demonstrieren.

Vielen Dank der Rz für die Nutzung des Berichtes und der
Mitarbeiterin Lieselotte Sauer-Kaulbach