Sonntag, 24. Juni 2012

Interview Ulrike Piel in Koblenzerleben

Von Merkwürdigkeiten hin zu Starallüren Schneiders Mittagstisch (22.06.2012):

 Ulrike Piel führt das Mittelrhein Musik Festival Telefon immer mit sich Festivalsaison mitten im Oberen Mittelrheintal, dem UNESCO Weltkulturerbe. Jedes Wochenende ein bis zwei Konzerte. Das südlichste davon auf der Burg Pfalzgrafenstein mitten im Rhein vor Kaub, das nördlichste in Remagen im Arp Museum. Ungewöhnliche Konzertplätze und ein abwechslungsreiches, vielfältiges Musikprogramm, das ist das Mittelrhein Musik Festival. Ulrike Piel gehört zur Festivalleitung, organisiert alles um die Musik herum. Immer „an der Frau“, ihr Mittelrhein Musik Festival Servicetelefon. Sie nimmt ihren Job 150-prozentig ernst und jeden Anruf zu jeder Zeit entgegen. Egal, ob der Anrufer fragt, wer ihn von der musikalischen Weinprobe nach Hause fährt, weil er ja danach getrunken hätte, oder ob die Rheinfähre länger fahren kann, weil der Künstler noch eine Zugabe bringt. Mit Gelassenheit und Freundlichkeit kümmert sie sich um das noch so kleinste Detail.

Normann Schneider: Das Mittelrhein Musik Festival hat sich umbenannt. 

Ulrike Piel: Ja, Im Namen sollte das stehen, zu was es in den letzten Jahren geworden ist: Ein richtiges Festival. Mit 25 Konzerten über den Sommer! Mit dem Begriff Mittelrhein Musik Momente gab es auch immer wieder Verwechslungen zu den Mittelrhein Momenten, eine Vereinigung von Gastronomen und Winzern.

Wie sieht das Programm aus? 

Wir versuchen für jeden Festivalbesucher etwas Interessantes anzubieten, wir haben von großen Sinfoniekonzerten über klassische Kammermusik, Jazz, Kinderkonzerte, bis hin zu musikalischen Weinproben und musikalische Lesungen – ein vielfältiges Repertoire an Konzerten. Auch die Künstlerpalette ist weitreichend. Von Thomas Anders über Iris Berben, Paul Kuhn bis hin zu Christine Neubauer.

Thomas Anders singt? 

Nein, wir haben eine musikalische Lesung mit ihm auf dem Jakobsberg im Programm, open Air im Innenhof. Er liest Hänsel und Gretel, begleitet von einem Bläser-Oktett und dem Kinderchor „Kastellauner Kirchturmspatzen“. Sowie Ausschnitte aus der gleichnamigen Oper von Engelbert Humperdinck, der ja in Boppard jahrelang gewohnt hat. Also, nicht nur für Kinder. Richtig! Ebenso wichtig zu wissen, unsere Kinderprogramme beginnen schon bei den 3- bis 4-jährigen. Dazu haben wir Familienkonzerte im Programm, wie unseren musikalischen Waldspaziergang auf der Burg Rheinfels. Das Konzert ist quasi der Weg. Wir werden vom Förster begleitet, an verschiedenen Plätzen im Wald singen die Kölner Vokalsolisten und nachher gibt’s Würstchen vom Grill.

Lässig. 

Wir haben auch immer ein merkwürdiges, außergewöhnliches Konzert im Programm?

Wie merkwürdig? 

Bei Xala, Tanz und Musik, steht am 17. August im Kuppelsaal auf der Festung Ehrenbreitstein ein 500 kg schweres Xylophon. Das ist zwei mal drei Meter groß und wird mit Flamencoschuhen und Stöcken zum Klingen gebracht. Da ist die Über-Akustik im Kuppelsaal genau das richtige. Normalweise hört man dort ja, wenn in der anderen Ecke etwas geflüstert wird.

Wir kommen Sie an dieses breit gefächerte Angebot? 

Frank Lefers, der Intendant der rheinischen Philharmonie, hat die musikalische Festivalleitung. Wir haben sehr viele unterschiedliche Spielorte, da überlegen wir welche Musik zum jeweiligen Ort passt. Und wir haben einen Freundeskreis, der uns ebenfalls mit Ideen, Rat und Tat unterstützt. Open-Air-Konzerte sind immer eine Herausforderung. Wir bemühen uns trotz des deutschen Sommers die meisten Konzerte Open Air zu geben. Mit schlechten Wetterperspektiven im Rücken oder wenn es unter 15 Grad geht, wird es schwierig. Wir haben zwar Regencapes und ähnliches, aber wenn sich die Harfe permanent verstimmt, ist das kein schönes Konzerterlebnis mehr. Wir haben immer eine trockene Alternative. Allerdings wird es dann ein bisschen stressig, wenn wir um 3 Uhr nachmittags entscheiden müssen, dass wir rein gehen. Team, Techniker, Künstler und Konzertbesucher müssen ja informiert werden.

Einer der Festival-Gründungsväter ist ja der Koblenzer Oberbürgermeister Hofmann-Göttig.

In der Tat, damals war er Kulturstaatssekretär. Er hatte sich eingesetzt, dass beim UNESCO Weltkulturerbeantrag das Mittelrhein Musik Festival als musikalische Klammer Erwähnung findet und somit quasi zum Welterbe dazu gehört. Das Festival ist ja nicht nur für „Einheimische“, wir haben ja ungefähr 20 Prozent Touristen, die zu den Konzerten kommen.

Wirtschaftlich, wie sieht´s da aus? 

Seitdem mein Kollege Frank Lefers und ich das Festival leiten haben wir keine Verluste gemacht, selbst im BUGA Jahr waren wir auf Null! Unser Team besteht aus 5 Leuten, auf die wir uns 100 Prozent verlassen können. Die müssen sehr flexibel sein, da jeder Konzertort woanders ist. Manchmal bis tief in die Nacht und am nächsten Morgen geht’s um 8 Uhr in der Früh weiter.

Wie ist der Umgang mit den „Promi´s“? 

Sehr interessant. Dort, wo man sich Gedanken macht, läuft alles ganz reibungslos. Iris Berben zum Beispiel, da war ich nervös, dabei ist die ganz locker. Bei anderen, die man für völlig unkompliziert hält, steht man plötzlich großen Starallüren gegenüber.

Viel zu tun! 

In der Saison habe ich kein Wochenende, montags geht es ja gleich weiter. Ich habe zwar eine Haushaltshilfe, aber von zu Hause aufgeräumt kann keine Rede sein. Das ist auch zweitrangig. Mein Tag beginnt morgens um 6 Uhr, wenn abends vorher ein Konzert war, fällt das Aufstehen nicht unbedingt leichter. Was sagt die elfjährige Tochter dazu? Das klappt alles sehr gut. Mittlerweile kann sie ein wenig helfen, sie verteilt Flyer oder steht bei „den Großen“ und fragt, was sie noch helfen kann. Wir halten es wie im Fußball, nach dem Festival ist vor dem Festival. Zu Jahresanfang muss das neue Programm feststehen, es geht rund um die Uhr. Familienferien können wir nur zu Ostern oder im Herbst machen.